Wie geht es Dir?

Kopfsache. Während dieser Pandemie reden wir oft über Ansteckungsrisiken und erhöhte Fallzahlen. Weniger berichten wir über die psychischen Erkrankungen, die die Konsequenzen täglicher Hiobsbotschaften sein können.

Die Menschheit befindet sich in einer Krise. Es ist nicht die erste Krise und wird wahrscheinlich auch nicht die letzte sein, doch Krise bleibt Krise. Der Alltag mit Maske ist fast schon Normalität geworden und einen großen Bogen zu machen, um den entgegenkommenden Menschen auszuweichen, ist Sitte. Was aber macht eine Pandemie mit unserer Psyche? Kann eine Pandemie etwa zu einer psychischen Erkrankung führen?

Laut der Bundespsychotherapeutenkammer lautet die Antwort: Ja. Wie bei jeder anderen Erkrankung, gibt es auch hier Risikogruppen. Eine Pandemie verstärkt mit hoher Wahrscheinlichkeit psychische Erkrankungen oder löst neue aus; so zum Beispiel Depressionen, Angststörungen, akute und posttraumatische Belastungsstörungen, aber auch Alkohol- bzw. Medikamentenmissbrauch, Zwangsstörungen oder Psychosen. Nicht nur psychologisch Vorerkrankte sind von Risikofaktoren betroffen. Menschen, die einer unmittelbaren Gefahr ausgesetzt sind oder generell stärkeren Belastungen ausgesetzt sind, aufgrund ihres Berufs oder anderer Faktoren, sind gefährdet – damit sind vor allem alte Menschen, Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder Menschen, die in der Pflege arbeiten, Ärzt:innen oder Menschen mit Familienmitgliedern, die Risikopatient:innen sind, gemeint. So wirklich verschont scheint niemand zu sein. Die permanente unsichtbare Bedrohung, die eine Pandemie darstellt, ist eine konstante psychische Belastung für alle. Der Gedanke möglicherweise Familienmitglieder anzustecken oder sogar verantwortlich dafür zu sein, dass man eine Person angesteckt hat, die an den Folgen einer Infektion gestorben ist, können zu Schuldgefühlen, Selbstzweifeln oder posttraumatischen Stress in Form von Schlaflosigkeit, hoher Anspannung, Schreckhaftigkeit, Niedergeschlagenheit und Rückzug führen. Die Forschung, die die verschiedenen Auswirkungen dieser Pandemie auf unsere psychische Gesundheit untersucht, ist noch sehr jung und bezieht sich meistens auf Studienergebnisse aus vergangenen Epidemien. Fest steht aber, dass die durch Covid-19 verursachte Pandemie zu mehr häuslicher Gewalt geführt hat und Frauen psychisch stärker gefährdet sind als Männer. Frauen haben ein mehr als doppelt so hohes Risiko, an einer affektiven oder Angststörung zu erkranken als Männer und sind häufiger Opfer häuslicher Gewalt. Dazu sind Frauen überwiegend mehr von Schließungen von Kitas, Schulen oder Pflegeeinrichtungen betroffen, da sie doppelt so viel Zeit mit der Betreuung oder Pflege von Angehörigen beschäftigt sind, als Männer und öfters in solchen Einrichtungen arbeiten. Somit haben geschlechterspezifische Rollenbilder und Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern direkte Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Frauen.

Wir alle Stecken in einer schwierigen Zeit fest. Daher ist es umso wichtiger, dass wir aufeinander zugehen und Wege finden, miteinander über unsere Probleme zu kommunizieren. Wie diese Wege der Kommunikation aussehen können, muss im Verhältnis zu der akuten Infektionslage stehen. Fest steht, dass wir einander brauchen, jetzt mehr denn je.

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Kommentar. Jetzt ist Zusammenhalt gefragt. Wir alle stehen vor einer Herausforderung, die nicht zu vergleichen ist mit anderen. Was können wir für uns und unsere Mitmenschen tun?

Du fühlst Dich müde, gestresst und hast auch keinen wirklichen Bock mehr, die ganze Zeit in den gleichen vier Wänden rumzuhängen und darauf zu warten, dass das Leben endlich wieder weitergeht? Mir geht es genauso, Deinen Freunden geht es genauso, wahrscheinlich geht es allen im Moment genauso. Wie heißt es immer so schön? Geteiltes Leid ist halbes Leid. Wenn das nur die Hälfte sein soll, will ich gar nicht wissen, was das volle Leid ist. Das Risiko, sich mit einer vielleicht tödlichen Krankheit anzustecken, ist das eine, aber die damit verbundene psychische Belastung etwas ganz anderes. Wir müssen uns glaube ich alle im Moment öfters Fragen, wie es uns geht. Einmal am Tag in sich hineinhorchen und reflektieren: was ist mein persönlicher Stressfaktor heute? Kann ich meinen inneren Druck minimieren? Es gibt viele Wege, Entspannung zu finden, umso wichtiger ist es den eigenen zu finden und den eigenen Bedürfnissen so gut es geht nachzukommen. Was macht uns glücklich, was bereitet uns Freude?

Einen Weg zu finden, der uns eine Auszeit gibt, ist entscheidend und wichtig. Immer öfter vergessen wir auf uns zu achten und gegenseitig zu helfen. Du hast vielleicht Menschen in Deinem Umfeld, die im Moment besonders leiden oder Du leidest selbst schwer unter der momentanen psychischen Belastung, dann biete Deine Hilfe an oder bitte um Hilfe. Zu wissen, dass man anderen helfen kann oder nach Hilfe fragen kann, ist eine unglaubliche Stärke, die nur mit wenig zu vergleichen ist. Mir hat mal jemand gesagt, dass man sich oft wie in einem Sumpf fühlt, aus dem man nicht rauszukommen scheint. Dabei sind überall Halterungen, an denen man sich selbst rausziehen könnte, nur müssen die einem erstmal gezeigt werden. Was ich damit sagen will, ist, dass man oft die Kraft hat sich aus einer Leidenssituation selbst rauszuholen, wenn man die eigenen Probleme mit anderen teilt. Ich bin mir sicher, dass wir alle die kommende Situation meistern werden, nur sollten wir unsere Bedürfnisse dabei nicht vergessen. Bleib stark und kommuniziere mit anderen, lass Dir Helfen oder biete Deine Hilfe an. Was immer noch auf uns zukommen mag, gemeinsam wird das Leid vielleicht doch weniger.

:Gerit Höller